Die grosse IBOR-Reform

Globale Neueinführung von Referenzzinssätzen bis Ende 2021

Seit über drei Jahrzehnten sind Interbank Offered Rates (IBORs) als grundlegende Referenzzinssätze von essenzieller Bedeutung für das Funktionieren des weltweiten Finanzsystems. Sie dienen dazu, die Höhe variabler Zinssätze zu bestimmen. Somit sind sie eine entscheidende Bezugsgröße und Bewertungsgrundlage für eine Vielzahl von Finanzprodukten, darunter Kredite, Derivate, Anleihen, Verbriefungen oder Einlagen. Doch die Zeit der IBORs läuft langsam aus.

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Die Hintergründe der IBOR-Reform

Im Jahr 2013 haben die Regierungen der G20-Staaten eine Untersuchung angewiesen und anschließend Vorschläge für eine grundlegende IBOR-Reform entwickeln lassen. Zuvor hatten Experten wiederholt Zweifel am bestehenden System geäußert und dieses als unzureichend kritisiert. Die Sorge vieler Aufsichtsbehörden war, dass es insbesondere bei Turbulenzen an den Finanzmärkten zu Ausreißern beim Zinsniveau kommen könnte. Zudem unterlag das gesamte Verfahren einer hohen Missbrauchsanfälligkeit, da sich die Berechnung bei den bis dato verwendeten Referenzzinssätzen auf Zinseinschätzungen ausgewählter Finanzinstitute, sogenannter Panelbanken, gestützt hatte. So versuchten Marktteilnehmer, beispielsweise infolge der Finanzkrise 2008/2009, einen der bekanntesten IBORs – den London Interbank Offered Rate (LIBOR) – zu manipulieren.

Exkurs: Was ist der LIBOR überhaupt?

Der LIBOR ist ein Durchschnittszins, der bislang aus den Einschätzungen ausgesuchter Panelbanken in London ermittelt wurde. Jede dieser Banken wird täglich gebeten, den Zinssatz anzugeben, zu dem sie bereit sind, einer anderen großen Bank bester Bonität Geld für einen bestimmten Zeitraum zu leihen (geben). Diese Angaben werden daraufhin zur Berechnung des LIBOR gemäß vereinbarter Methodik verwendet. Wenn nicht genügend reale Transaktionen oder transaktionsbezogene Daten vorliegen, auf denen ihre LIBOR Angaben basieren können, müssen die Banken ihr „Fachurteil“ innerhalb bestimmter vereinbarter Parameter dazu nutzen, um ihre Angaben zu machen. LIBOR-Zinsen werden nicht nur für das britische Pfund, sondern auch für den US-Dollar, den Schweizer Franken, den Euro und den japanischen Yen berechnet. Sie werden für sieben Laufzeiten von über Nacht bis zu zwölf Monaten bekannt gegeben, von der ICE Benchmark Administration (IBA) verwaltet und von der Financial Conduct Authority (FCA) überwacht.

Ziel und Funktionsweise der neuen Referenzzinssätze

Erklärtes Ziel der IBOR-Reform ist es, durch die Entwicklung alternativer Referenzzinssätze, für mehr Transparenz bei der Berechnung der Zinsen zu sorgen. Die variablen Referenzzinssätze werden künftig deutlich zuverlässiger und belastbarer sein. Das macht das ganze System robuster und verbessert die Effizienz der Finanzmärkte. Gewährleistet werden soll das, indem an die Stelle der alten IBORs nach der Reform entweder robuste IBORs oder sogenannte Risk-free Rates (RFRs) rücken. RFRs haben eine gänzlich andere Berechnungsgrundlage als die alten IBORs. Während für die IBOR-Berechnungen Zinseinschätzungen von Panelbanken herangezogen werden, liegen den RFRs reale Transaktionen von erheblichem Volumen zugrunde. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass IBORs Terminsätze sind und RFRs Tagesgeldsätze. Die neuen Berechnungsmethoden haben daher den Vorteil, dass mit den RFRs Tagesgeldsätze für längere Zinsperioden verwendet werden können. Damit einher geht, dass Zinszahlungen nicht mehr zu Beginn der Zinsperiode festgelegt werden, sondern erst rückwirkend am Ende der Zinsperiode. In der Praxis wird auf RFRs jedoch dieselbe Methodik wie bei IBORs angewendet und der Zinssatz dem Kunden wie bisher im Vorhinein bekannt gegeben.

Aktueller Stand der Umstrukturierung

Am 29. Juni 2016 wurde im Amtsblatt der Europäischen Union die Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, veröffentlicht. Auch die Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2014/17/EU sowie der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 wurden damals publiziert. Daraus geht hervor, dass die bisherigen IBORs entweder zu reformieren oder nach und nach durch RFRs zu ersetzen sind. Rechtsgrundlage dafür ist die Benchmark-Verordnung (Benchmark Regulation BMR), die am 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist. Die Umsetzung für kritische Benchmarks muss gemäß aktueller Rechtslage bis zum 31.12.2021 erfolgen. Inzwischen sind daher verschiedenste supranationale Organisationen, Aufsichtsbehörden und Zentralbanken mit der Neuordnung der Referenzzinssätze beschäftigt. Vielerorts ist ihre Einführung schon angelaufen. Bis Jahresende soll die Umstellung großteils abgeschlossen sein. Für die wichtigsten Währungen im Euroraum, in den USA, in Großbritannien, in der Schweiz, in Japan, Hongkong und Singapur gibt es bereits Alternativen. Bewährte Referenzzinssätze wie der LIBOR und die europäische Variante EONIA werden ersetzt. Der EURIBOR für den Euroraum wurde bereits grundlegend reformiert.

Währung IBOR Alt Änderung per IBOR Neu
EUR EONIA 31.12.2021 €STR
CHF CHF LIBOR 31.12.2021 SARON
YEN TIBOR 31.12.2021 TONAR
GBP GBP LIBOR 31.12.2021 SONIA
USD USD LIBOR 30.06.2023 SOFR
EUR EURIBOR 31.12.2021 EURIBOR

 

Alternative Referenzzinssätze weltweit

Schon 2017 hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Beschluss gefasst, einen unbesicherten Tagesgeldsatz zu entwickeln. Dieser Referenzzinssatz trägt den Namen Euro Short-Term Rate (€STR), wird Schritt für Schritt für alle Produkte und Verträge den EONIA (Euro OverNight Index Average) ersetzen und in Zukunft als Standardreferenzzinssatz dienen. Seit dem 2. Oktober 2019 wird der €STR täglich aus den Übernacht-Transaktionen mit Großkundeneinlagen ermittelt und durch die EZB publiziert. Die Berechnung erfolgt auf Basis getätigter Einzeltransaktionen des vorherigen Handelstages, die in Euro denominiert sind. Alle Daten werden von den berichtspflichtigen Banken in der Eurozone im Zuge der Geldmarktstatistik gemeldet.

Eine führende Rolle bei der Reform der Referenzzinsen für den Schweizer Markt hat die Nationale Arbeitsgruppe (NWG) gespielt. Sie hat den Swiss Average Rate Overnight (SARON) als Alternative für den CHF LIBOR empfohlen. Nun stellt der SARON den Tagesgeldsatz des besicherten Geldmarktes für Schweizer Franken dar. Er beruht auf Transaktionen und Preisstellungen, die auf dem Schweizer Repo-Markt, einem zentralen Teil der Schweizer Wertschöpfungskette, gebucht werden. Der Benchmark-Administrator des SARON ist SIX. Dieser ist verantwortlich für die Berechnung und die Publikation und stellt mit dem SARON eine robuste Alternative zum CHF LIBOR zur Verfügung. Mit der Durchführungsverordnung (EU) 2021/1847 der Kommission vom 14. Oktober 2021 wurde der SARON als gesetzlicher Ersatzzinssatz für bestimmte Anwendungen des CHF-LIBOR festgelegt.

Die Tokyo Overnight Average Rate (TONAR) ist ein unbesicherter Interbank-Tagesgeldsatz und Referenzzinssatz für japanische Yen. Seit 2016 empfiehlt die Bank of Japan ihn als bevorzugten risikofreien Referenzzinssatz. Damit ersetzt der TONAR den Yen-LIBOR, der Ende 2021 ausläuft.

Für den Sterling Overnight Index Average (SONIA) ist die Bank of England zuständig. Der transaktionsbasierte, unbesicherte Übernacht-Zinssatz gilt für Index-Swaps und Overnight-Einlagetransaktionen in Pfund Sterling und wird bereits seit April 2018 veröffentlicht.

Die Secured Overnight Financing Rate (SOFR) ist ein Produkt der Federal Reserve Bank of New York und ein Referenzzinssatz für die Währung US-Dollar. Die transaktionsbasierte, besicherte Übernacht-Interbankenrate gilt in Zukunft für zahlreiche Laufzeiten im US-Treasury-Dollar-Repo-Markt und wird seit April 2018 veröffentlicht.

Die Euro Interbank Offered Rate (EURIBOR) ist ein täglich ermittelter Referenzzinssatz, der schon seit November 2019 basierend auf Finanztransaktionen ermittelt wird, die die sogenannten Panelbanken mitgeteilt haben. Anders als bislang fließen Expertenschätzungen allerdings nur noch ein, wenn nicht genügend Transaktionen für die Zinsberechnung vorliegen. Grundlage des EURIBOR ist der Durchschnittszins, zu dem Banken in der Eurozone unbesicherte Kredite an andere Finanzinstitute vergeben. Zuständig für diesen Referenzzinssatz ist das European Money Markets Institute (EMMI).

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